"Krieg, Krieg bleibt immer gleich."
Mit diesem Satz beginnt das neue Spiel von
Bryan Fargo zwar nicht, abgesehen davon fühlt es sich aber ziemlich stark nach Fallout an.
Ist das per Kickstarter finanzierte Spiel die erhoffte Erlösung für alle ewig-gestrigen,
ein gelungenes Spiel oder doch wie manch andere Crowdfunding-Spiele auf halber Strecke versackt?
Auch wenn diese Tankstelle offenbar schon länger trocken ist; Durststrecken bietet die Handlung kaum. |
Als nach langem Warten vor Jahren Bethesda mit Fallout 3 endlich einen Nachfolger
für die Kultreihe Fallout veröffentlichte, spaltete dies die Fans in zwei Lager. Auf der
einen Seite war man froh über eine Fortsetzung die zudem modern daherkam und den Sprung von
2D zu 3D gemeistert hatte. Auf der anderen Seite bemängelte man den Verlust des pointierten
schwarzen Humors, weniger Handlungsmöglichkeiten und einen zu starken Trend zur reinen Freude
an Gewalt. Nichtsdestotrotz war Fallout 3 ein großer Erfolg und hat zusammen mit dem Nachfolger
New Vegas das Franchise erfolgreich revitalisiert.
Doch unabhängig davon hat der Schöpfer von Fallout 1 & 2, die wiederum geistige Nachfolger seines
Frühwerks Wasteland aus den 80ern waren, die Hoffnung nicht aufgegeben ein weiteres postnukleares
Rollenspiel zu veröffentlichen, das sich böse gesagt weniger wie ein "Elder Scrolls with Guns" anfühlt.
Dank Kickstarter hat er es tatsächlich geschafft seinen Traum zu finanzieren und präsentiert mit Wasteland 2
seine eigene Version eines modernen Rollenspiels, ohne aber alte Zöpfe gänzlich abzuschneiden.
Wasteland 2 entführt den Spieler in ein postnukleares Amerika a la Mad Max. Alte Strukturen
sind zusammengebrochen und die Überlebenden des nuklearen Holocaust versuchen sich mit den
wenigen ihnen verbliebenen Mitteln gegen Räuberbanden und andere Gefahren der Wildnis zu
verteidigen. Die einzige Instanz die eine vage Chance darauf hat langfristig Ordnung und
eine Rückkehr zur Zivilisation zu schaffen sind die Desert Rangers. Als ein Neuling in dieser
Organisation kriegt man zu Beginn ein kleines Team an die Seite gestellt und soll den Tod eines
Ranger-Veteranen aufklären.
Bevor es richtig losgeht, muss aber natürlich erst mal der Charakter erstellt werden.
Vollkommen Oldschool entsteht dies über mehrere Bildschirme verteilt und verzichtet dabei auf
jedwede Immersion in Form von einem Prolog dass eure Figur einführt. Man klickt sich seine Werte
bestehend aus Basisattributen, Sonderfertigkeiten und Talenten zusammen. Zuletzt noch einige Details
wie Name, Aussehen und eine optionale Biographie und es kann losgehen. Wer es ganz genau wissen will
kann sich auch seine Teamkollegen selbst erstellen. Alle anderen wählen aus einer Palette vorgefertigter
Charaktere. Glücklicherweise sind die Kollegen mehr als nur simple Pappkameraden, was man in den
selbstständigen Gesprächen und Kommentaren dieser schnell mitbekommt.
Auch sonst lebt und atmet die Spielwelt viel durch die nicht geringe Menge an Texten.
Dass nur ein Teil davon vertont ist ist bedauerlich. Als Trostpflaster punkten die Texte
mit einer sehr guten und dichten Atmosphäre. Lieblose Questziele oder Beschreibungen sucht
man hier vergeblich. Und durch das Stichwort-System ist es möglich in fast jeder Unterhaltung
auf hervorgehobene Stichpunkte näher einzugehen. Praktisch ähnelt es bekannten Dialogsystemen,
bringt in diese aber endlich eine Struktur, die jedem Spieler sofort klar macht, was er erfahren
kann und was nicht. Eine Banalität an der erschreckend viele Spiele regelmäßig scheitern.
Fans von Fallout 1 & 2 freuen sich über die Rückkehr des typischen Humors der Reihe. Auch wenn
es in diesem Spiel nicht um die Brotherhood of Steel oder Mutanten geht, man fühlt sich rasch
heimisch und auch wenn der Einstieg etwas banaler daherkommt als in den oben genannten Titeln;
die Geschichte nimmt rasch Fahrt auf und punktet mit der für Bryan Fargo typischen Skurrilität und
liebevollen Details.
Die Vorliebe zu leicht skurrilen Retro-Gegnern ist nicht zu übersehen. |
Durch das weit gefächerte Talentsystem gibt es wenige Musterlösungen für eine ideale Truppe.
Natürlich kann man alle Eventualitäten im Kampf mit den Bereichen Gewehr, Pistole, Nahkampfwaffen,
Waffenlos, schwere Waffen und Sprengstoff abdecken. Aber dann gibt es ja auch vor und nach den
Kämpfen soziale Interaktionen. Wer hier keine Talentpunkte investiert hat, kriegt oft nicht nur
weniger oder gar keine Beute, sondern auch essentielle Informationen werden nur den Wortgewandten
Charakteren mitgeteilt. Ähnlich verhält es sich mit Überlebensfähigkeiten in der Wüste. Und von solchen
Sachen wie Reparatur- und Einbruchstalenten haben wir noch gar nicht gesprochen.
Versucht man all dieses irgendwie abzudecken erhält man auf der einen Seite eine ausgewogene
Runde, muss aber gerade in den Kämpfen klug vorgehen. Munition ist in den rundenbasierten
Auseinandersetzungen generell eher knapp und wer nicht auf die speziellen Eigenheiten seiner
Gegner eingeht frisst schnell Staub. Die Lernkurve ist dabei allerdings sehr fair gehalten und
dank logischem Aufbau und Erläuterungen entsteht auch deutlich weniger Frust als beim Taktiklastigen
Blackguards.
Grafik ist ja bekanntlich alles. Alle Questtexte werden daher in gestochen scharfem Full-HD präsentiert. |
Im Vergleich zu modernen Rollenspielen kommt Wasteland 2 extrem Detailverliebt daher was die
Möglichkeit angeht die eigenen Charaktere auf- und auszubauen. Normalerweise wird sowas heutzutage
entschlackt und Automatismen nehmen dem Spieler viel Arbeit ab. Wasteland 2 verzichtet auf eben jene
großflächige Entschlackung und präsentiert gleichzeitig die wohl mit Abstand beste Steuerung für
Rollenspiele dieser Art. Alles, von der Steuerung der Schußposition, das Nutzen der Deckung,
Waffenwechsel und Nachladen, erste Hilfe im Kampf und vielem mehr ist auf Anhieb schnell und direkt
zu finden. Noch nie in all den Jahren ist uns ein klassisches Rollenspiel untergekommen dass so viele
Möglichkeiten so schnell und direkt zugänglich macht. Kleine Automatismen wie das automatische Verteilen
der Beute an die Charaktere die sie am ehesten nutzen können, sind das i-Tüpfelchen auf einem großen Schoko-Deluxe-Eisbecher
den die Gestalter des Interface hier abliefern.
Technisch bewegt sich Wasteland 2 auf gutem Mittelmaß. Die 3D-Grafik ist solide, bietet
aber wenige Highlights, was aber auch am Setting liegt, das eben mehr dezent und weniger knallig
daherkommt. Musikalisch wurde mit Mark Morgan auch hier ein Veteran der alten Fallout-Titel mit ins
Boot geholt und man bekommt frische aber auch vertraute Klänge um die Ohren gesynthesizert. Ein paar
harte Gitarrenklänge runden das Flair ab und rücken es mehr in die Welt der bärtigen Desert-Ranger und
helfen das Spiel eigenständiger wirken zu lassen.
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