Pokémon sind ein merkwürdiges Phänomen, immerhin haben Sie einen frischen Abiturienten
dazu gebracht seinen von Bildzeilenausfall geplagten zehn Jahre alten GameBoy auszumotten
und nicht auf Jagd nach potentiellen Kopulationspartnern, sondern Phantasie-Tierchen zu gehen. -
Wer dieser Abiturient war, muss ich glaub ich nicht erwähnen.
Eines hatten die Pokémon Spiele von damals bis vor ein paar Wochen gemeinsam. Sie
waren alle immer schon technisch überholt. Denn zu Pokémon Blau und Rot Zeiten war bereits
der nicht gesondert unterstützte GameBoy Color erschienen, wie auch jetzt zu 3DS Zeiten noch
munter weiter die letzten Pokémon Inkarnationen für den alten DS erschienen sind. Doch damit
ist Schluss, denn Pokémon ist im hier und jetzt angekommen und wahrlich schöner denn je.
Grund genug nach fast 15 Jahren der Mutter aller Grindfeste endlich mal wieder einen Besuch
abzustatten.
Nun denn Königin Barenziah, ich fordere Sie zum Kampf! - Das geht vor allen Dingen
eins, nämlich sehr schnell. Startete man damals wie heute von seinem Kinderzimmer
aus (damals mit Super Nintendo, jetzt mit WiiU bestückt) eine Pokémon Weltreise zu
unternehmen, geht das heute alles viel geschmeidiger von der Hand. So kann der oder
die, im Laufe der Reise relativ detailliert anpassbare Protagonist/in von Vornherein
laufen, bekommt direkt im ersten Ort Rollschuhe spendiert und vielerlei kleine
Aktivitäten, wie das Pokémon heilen im Pokémon Center, rauben keine Zeit mehr.
Die geht dafür, neben dem grinden - kämpfend oder auf den Rollerskates *tusch* - , an
anderen Stellen drauf. Zum Beispiel beim gärtnern von Status beeinflussenden Beeren.
Hier will jeder Arbeitsschritt einzeln bestätigt werden und jedes Soundcue zur erfolgreichen
Beerenernte erst zu Ende spielen, bevor es weiter geht. Ebenfalls unbehände, aber an sich
eine Zeitersparnis ist der Erfahrungspunkte-Teiler, der allen mitgeführten nicht kämpfenden
Pokémon die Hälfte der verdienten Erfahrungspunkte zukommen lässt. So kann es gerade mit
unerfahrenen Pokémon vorkommen, das nach jeder Kampfrunde ein Pokémon aufsteigt,
eine neue Attacke lernen will etc., was für mehr Micromanagement und viel
wegdrückerei zwischen den Zügen sorgt.
Doch wofür das eigentlich alles, bzw. was ist der tiefere Sinn aka. die Story abseits
von "Ich will der Allerbeste sein"? "Wie Keiner vor mir, war […]" ich nie der Freund
eines Settings in der Tiere zum Spaß gegeneinander gehetzt werden. Das lag sowohl an der zum erstmaligen Erscheinen hierzulande imminenten "Kampfhund auf Spielplatz"-Diskussion, als
auch am mangelnden kulturellen Hintergrund. Denn in Japan ist es im Sommer durchaus Gang
und Gäbe für Kinder Hirsch- und Nashornkäfer zu fangen und gegeneinander antreten zu
lassen. (Dieses Originalprinzip hat sich später übrigens SEGA mit Mushi King - 'Insektenkönig' für sich
entdeckt; ein Kinder Arcade Automat durch den man seine Insekten Sammelkarten jagen konnte.)
Nein, in der Pokémon Welt - in der Kinder gerne ungefragt ohne Geld und Essen vor die
Tür gesetzt werden um erwachsen zu werden - wird viel Wert darauf gelegt zu betonen das
man in friedlicher Koexistenz miteinander lebt und jedes Pokémon gerne seinen Platz in
der Wildnis gegen einen gemütlich möblierten Pokéball eintauscht. Ich habe auch noch kein
Pokémon das Gegenteil behaupten hören, wobei meines Wissens auch nur Team Rockets Mauzi
und Mewtwo sprechen können und die leben in keinem Pokéball. - Ja möglicherweise ist das
ganze etwas ungelenk, wahrscheinlich bin ich aber eher ein Vierteljahrhundert zu alt.
Doch zurück zum Faden der nie da war.: Eine Story ist vorhanden. Neben der Pokémon
Forschung, die es erfordert möglichst viele Pokémon zu fangen, geht es gegen einen die
momentane Schönheit der Welt bewahren wollenden Besessenen. Das ist auch so ziemlich der
einzige moralische Aufhänger oder gelehrte Weisheit, dass andere Menschen andere Auffassungen haben.
Und gerade wenn ich denke "Ich bin zu alt für diese Kinderk@#!3!" zieht es mich dann
doch in meinen Bann, mit den bekannten Rezepten wie Sammeln, leveln, säen und ernten
aber vor allem durch sehr viel Charme. Wenn wieder ein Relaxo eine Brücke schlafend
blockiert oder ich auf eine als Reittier verwendbare Ziege (Neu!) namens "Mähikel" steige
komme ich nicht herum zu schmunzeln und die kindliche Freude in mir aufsteigen zu fühlen.
Aus Mangel an Schulhofkameraden ist es eine schöne Ergänzung schnell, aus dem
laufenden Spiel, in einen online Kampf springen zu können. Und wer mal auf's Kämpfen keine
Lust hat schmust halt mit seinem Nintendogs-Style Pokémon.
Die Informatikstudentin war ein Fake: Blind-Date mit einer Elektromaus |
Wie Eingangs geschrieben hat das neue Pokémon X und Y endlich einmal zeitgemäße Technik
im Gepäck, was bei der schieren Anzahl an Monstern ein wahres Bravourstück ist. Die wiederum
geht aber mit ein paar nicht unbedingt störenden aber erwähnenswerten Einschränkungen einher.
So sind all die ansehnlichen Figuren und Umgebungen, auch in den Kämpfen diesmal dreidimensional.
Die Kamera wird auf der Weltkarte aber immer von einem virtuellen Kameramann geführt für eine
schöne/ übersichtliche Perspektive und der 3D Regler des 3DS ist meist ohne Funktion. Zwei
verschiedene Bilder in eure Augen, werden tatsächlich nur während der Kämpfe oder Evolutionen
auf den Screen gezaubert, dann aber auf Kosten der Bildrate.
Sprachausgabe gibt es fast keine, also auch keine Monsterschreie abseits von "Pikachu".
Verzeihbar wenn man bedenkt dass der Modulinhalt aus Kompatiblitätsgründen weltweit gleich ist
und alle Sprachen enthalten sein müssen. Die oftmals bekannte Musik ist in meinem Augen bzw.
Ohren damals wie Heute eher langweilig, aber mittlerweile hochqualitativ eingespielt fernab
von dem Ur-GameBoy gegiepse.
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