Mit einigen Spielen hat man es ja als Tester besonders leicht. Schon im Vorfeld werden so
viele Informationen bekannt, dass es fast an ein Wunder grenzt, wenn das fertige Spiel nicht
gut bis sehr gut ist. Fire Emblem: Awakening ist so ein Titel. Und doch macht er es dem Tester
gleichzeitig ungemein schwer.
Ein typisches Level in Fire Emblem: Awakening startet man im Schnitt zwischen fünf bis
zwanzig Mal, ehe man es erfolgreich absolviert. Manchmal bricht man eine Partie schon nach
den ersten Zügen ab, ärgert sich über eigene Fehler und fängt nochmal von vorne an. Erst nach
einigem Ausprobieren und anpassen der eigenen Taktik, Aufstellung, Ausrüstung und Interaktion
der eigenen Truppen, schafft man es den Level zu meistern, im Idealfall ohne einen einzigen
Verlust in den eigenen Reihen. Serienkenner entdecken bis hier hin nichts Neues. Serienneulinge
werden sich vermutlich wundern und fragen, warum so ein Spiel Spaß machen sollte. In Zeiten von
immer niedrigeren Schwierigkeitsgraden und Spielzeiten von knapp einem Dutzend Stunden oder weniger,
wirkt das Konzept von Fire Emblem wie ein Relikt.
Hat für ihn doch nicht zum Feuerwehrmann gereicht: Grisu. |
Und genaugenommen handelt es sich auch um ein Relikt. Die Reihe gehört zu den ältesten
Franchises von Nintendo und debütierte schon auf dem NES. Hierzulande kam man erst deutlich
später in den Genuss der anspruchsvollen Rundenstrategiereihe, die zuletzt für die Wii und den
DS einen Ableger erhielt. Den Reiz von Fire Emblem kann man nur schwer definieren, da hier vieles
über die Jahre zu einem sehr harmonischen und fast schon abartig zuverlässig süchtig machenden
Prinzip zusammenkommt. Die Grundmechanik des Spiels basiert seit jeher auf einem Stein-Schere-Papier-Prinzip
an dem bis heute nichts geändert wurde. Jede Waffe hat gegenüber einer bestimmten Waffe einen
Vorteil, und gegenüber einer anderen einen Nachteil. Schwert gewinnt gegen Axt, Axt gegen Lanze
und Lanze gegen Schwert. Wenn man diese Grundmechanik immer im Hinterkopf behält, ist man schon
gut gerüstet. Dazu kommen diverse Genretypische Erweiterungen, die aber inzwischen so gelungen
implementiert sind, dass der Spieler nie überfordert ist.
Vom Gelände, über die Trefferchance, die Chance auf kritische Treffer bis hin zum neuen
Beziehungssystem reicht die Palette. Dazu wird das Waffensystem durch Magie und Fernkampfwaffen
sowie einige Unterarten ergänzt, bei denen aber stetig auf das sogenannte Waffendreieck (siehe oben)
geachtet wird.
Fire Emblem: Awakening erzählt die Geschichte vom androhenden Krieg zwischen den Königreichen Ylisse und Plegia,
in die der Spieler mit seinen Gefährten hineingezogen wird. Zu Beginn kann man sich, ein Novum in der Serie,
eine eigene Figur mit individuellen Fähigkeiten, Aussehen und Stimme (auch wenn nur wenige Sätze vertont sind)
verpassen. Die erzählerische Hauptfigur ist zwar Chrom, der einen anfangs aufgabelt. Aber anders als z.B. in
White Knight Chronicles ist man kein stummer Begleiter. Nach und nach wird man zum maßgebenden
taktischen Berater, eben genau das was der Spieler ja auch ist.
Nach den ersten Partien sind die Grundmechaniken erklärt worden. Neben dem neuen Beziehungssystem, gibt es auch
zwei Features die das Spiel zugänglicher machen sollen, und dabei nicht umstritten sind. Ein Markenzeichen von
Fire Emblem ist, dass verlorene Figuren endgültig tot sind. Es gibt keine Möglichkeit sie im während oder nach
dem Gefecht wiederzubeleben. Da jede Figur ihre eigene Persönlichkeit und Geschichte mit reinbringt, tendieren
die meisten Spieler dazu, so lange an einer Karte zu knobeln, bis sie diese ohne Verlust in den eigenen Reihen
überstehen.
Awakening bietet nun die Möglichkeit eines sogenannten Anfänger-Modus, in dem sich verlorene Gefährten
nach einer Schlacht wieder zurückmelden. Wer nur die Story erleben will und sich weniger mit den diversen
taktischen Feinheiten auseinandersetzen will, wird sich darüber gewiss freuen. Und auch Hardcore-Fans sollten
insgesamt doch lieber froh sein, dass Fire Emblem: Awakening diesen optionalen Schritt geht, um das Spiel
neuen Spielern schmackhaft zu machen.
Zusätzlich kann der Spieler die Kämpfe auch ganz dem Computer überlassen, was sich aber erst lohnt, wenn
eine Partie schon nahezu entschieden ist. Dennoch sollte man in diesem Fall bereit sein den ein oder anderen
Verlust hinzunehmen. Für Puristen wird diese Option daher höchstens nettes Beiwerk sein.
Ansonsten kommt Awakening mit einer ausgesprochen dicht erzählten Geschichte daher.
Die Menge an Cutscenes, sowohl als richtige Anime-Filmchen, aber auch in sehenswerter
Ingame-Grafik liegt deutlich über dem was man zuletzt auf dem DS aber auch der Wii sehen
konnte. Als wäre dies nicht genug Fanservice, treten auch diverse Figuren aus früheren
Serienteilen auf, auch wenn nicht alle so prominent platziert sind, wie der frühere
Serienheld Marth. Einige Figuren wird es auch zusätzlich als DLC geben, ebenso wie zusätzliche Karten.
Bei den Karten kann man lobend erwähnen, dass sie wieder hervorragend gestaltet sind
und durch die Bank weg zwar knackige Herausforderungen bieten, aber nie unfair oder gar
langweilig werden. Gerade beim letzten DS-Ableger gab es doch immer wieder lange Laufstrecken
die die Begeisterung für Tatik und Formation auf eine harte Probe stellten.
Frau oder Elch, das ist hier die Frage? |
Stichwort Formation. Das erwähnte neue Beziehungssystem kennt man in ähnlicher Form schon aus anderen Titeln.
Bestimmte Figuren starten mit gewissen Sympathie-Werten gegenüber anderen Figuren. Wenn man diese nun im Kampf
häufig nebeneinander, oder gar zusammen kämpfen lässt, steigen diese Werte. Im Gegenzug steigern sich dadurch
auch die Boni die sie sich im Kampf gegenseitig geben. Im Bestfall erhält man so noch eine zusätzliche Attacke
durch den Partner der gerade verwendeten Figur. Und da es seit jeher wichtig ist, einen gegnerischen Kämpfer
im Idealfall in einem einzigen Zug zu besiegen, eröffnen diese Unterstützungen ganz neue Optionen.
Löblicherweise ist das System dabei nicht so chaotisch oder gar überladen wie es beispielsweise bei Disgaea 4
zuletzt der Fall war.
Zwischen den Kämpfen könnt ihr den Stand der Beziehungen prüfen und vereinzelt auch Gespräche zwischen
den Figuren arrangieren, um die Beziehung weiter zu verbessern. Da man im späteren Verlauf sogar noch die
Kinder einiger Figuren dazubekommt, kann man fast endlos viel Zeit in die Beziehungen investieren, und erhält
immer schlagkräftigere Partien.
Das Bronzeschwert ist aus Polen! |
Man könnte noch viel mehr über Fire Emblem schreiben, aber irgendwann muss man auch zum Ende kommen.
Nur so viel: Was sich hier nach einer endlosen Menge an Optionen darstellt, ist auch quasi Endlos, wurde
aber bisher in kaum einem Spiel in ein so übersichtliches und gut durchdachtes Menü verpack, das wirklich
dazu einlädt auch alle Möglichkeiten auszureizen. Im eShop gibt es eine sehr gute Demoversion mit der sich
jeder einen eigenen Eindruck machen kann.
| Wer braucht Final Fantasy Tactics? |
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Fire Emblem war zwar schon immer eine der taktisch anspruchsvollsten und interessantesten
Serien im JRPG-Taktik-Genre aber Awakening beschreitet haargenau den goldenen Mittelweg
zwischen (optionaler) besserer Zugänglichkeit, dichtem Storytelling, sehr großem Umfang,
Fanservice und vor allem Bedienbarkeit. Gerade im Vergleich mit dem letzten DS-Ableger zeigt
sich: Fire Emblem ist definitiv Handheld-tauglich.
Die letzten beiden Titel waren zwar ebenfalls Vorzeigespiele, hatten aber doch Mühe, all
die Möglichkeiten übersichtlich und auch für Neulinge (wie ich damals einer war) verständlich
zu präsentieren. Gerade der DS-Titel, ein Remake des Serienerstlings, war zwar schön kurzweilig,
aber auf Dauer nur sehr umständlich zu verwalten. Mit Awakening hat man endlich das Gefühl jederzeit
wirklich die komplette Kontrolle und vor allem die totale Übersicht zu haben. Etwas das vielen
Konkurrenztiteln nicht mal auf den großen Konsolen gelingt.
Dazu kommen noch die Mehr-Inhalte über DLC, die auch Vielspieler zufrieden stellen dürften.
Es fällt wirklich schwer Kritikpunkte zu finden. Eine etwas ausführlichere Einleitung für
Neulinge und mehr vertonte Dialoge, aber damit meckern wir schon auf höchstem Niveau.
Fire Emblem Awakening gehört für RPG und/oder Taktik-Freunde zu den Pflichttiteln und ist
definitiv eines der besten Spiele diesen Jahres.
Dafür gibt's zum einen 5 Sterne und zum anderen, für die enorme Leistung, dieses ausgesprochen
dicke Paket so zugänglich, direkt kontrollierbar und perfekt spielbar auf den kleinen Handheld zu bringen,
noch die Medal of Awesome.
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Ich stimme Alexander eigentlich in fast allen Punkten bei, aber eben halt nur in fast allen Punkten.
So lässt mich das Spiel mich in meinen ersten Stunden doch mit ein paar offenen Fragen herumlaufen,
die mir in den griffigen Tutorial Einblendungen nicht eingehend genug erklärt werden. Wieso kann ich
Einheiten kombinieren und dann ziehen und angreifen, verliere beim trennen aber alle Aktionen aller
Beteiligten? Wieso kann ich beim Schmied Waffen upgraden aber nicht reparieren? Wieso kostet
Fire Emblem: Awakening eigentlich 5€ mehr als üblich und nutzt den Betrag nicht dazu, gerade einem
derartigen Spiel eine ausführliche gedruckte Anleitung beizufügen? Und wieso rockt eigentlich alles
von der Inszenierung her die Hütte aus dem 3DS bis auf die im Verhältnis geradezu unansehnliche
Übersichtskarte? - Trotz alledem sind das aber Kinkerlitzchen und ich unterschreibe die Wertung meines
Kollegen. Aber ohne einen Strategy Guide hab ich hier irgendwie 'Angst' etwas zu verpassen.
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