Manchmal braucht es gar nicht viel: Eine Maid in Nöten, einen tapferen Recken und 13
Türme voller Monster die zwischen ihrem Glück stehen. Oder zumindest so ähnlich.
Pandora's Tower ist der dritte Rollenspielstreich der kurz vor ableben der
Wii nach Europa geschwappt ist, neben Xenoblade Chronicles und The Last Story. Dabei
fällt es dennoch ziemlich aus der Reihe, denn Pandora's Tower mutet eher wie das uneheliche
Kind von Zelda und Shadow of the Colossus an, als wie ein klassisches RPG.
Während dem Erntefest passiert es. Als die junge Helena gerade freudestrahlend
auf der Bühne singt und tanzt erscheint aus dem Nichts ein verfluchtes Stigmata auf ihrem Rücken.
Es folgt eine Explosion, ein Monster(, das scheinbar aus Helena erwuchs) und ein Heidenchaos. Gut
das ein Freund von ihr, ein Soldat eines eigentlich verfeindeten Volkes, zur Stelle ist sie nach dem
Vorfall aus der Stadt zu schleusen. Dabei hatte er glücklicherweise die Hilfe einer alten kauzigen
Dame, die mehr zu wissen scheint als sie zugibt und die beiden an das Ende der Welt führt. Denn nur
dort wartet die einzige Möglichkeit Helenas Fluch zu brechen. Sie muss das Fleisch aller 12 Meister
die in den 13 Türmen über der Narbe der Erde hausen, essen, denn sonst wird Sie unweigerlich selbst zum Monster.
Ein Fall für den Bausachverständigen.... |
So ist es nun also an euch, Held Aaron, diese 13 Türme zu bereisen, euch jeweils bis zum
Endgegner vorzuarbeiten und Helena dessen Fleisch zu bringen.
Was simpel klingt ist tatsächlich auch schnell verinnerlicht.
Es existieren keine Partys, keine Städte oder Landschaften die bereist
werden wollen, sondern nur die genannten Türme und ein Observatorium, das ihr als euer Lager nutzt.
In diesem Lager könnt ihr aber nicht nur die obligatorischen
Dinge wie ausruhen, speichern und Handeln/ Gegenstände aufwerten, sondern auch
mit Helena reden, ihr Geschenke machen und um Gefallen bitten. So übersetzt
Sie euch antike Schriften aus denen ihr mehr über die Welt erfahren könnt,
erfahrt ebenso mehr über euch selbst und beobachtet wie Helena mit den Mitbringseln
nach und nach euer Heim dekoriert. Viel wichtiger noch ist ihre Zuneigung zu euch,
denn die ist nicht nur messbar, sondern entscheidet mitunter auch über eines der
sechs Enden. Selbst wenn euch das Mädchen nicht interessiert - und das wird Sie, denn
Mitleid und Aufopferung ist der Fokus des Spiels - solltet ihr regelmäßig nach
Hause kommen. Denn während ihr unterwegs seid tickt die Uhr und Helena verwandelt
sich nach und nach in ein Monster und muss ab und an zumindest normales Bestienfleisch
verzehren, um die Verwandlung zu bremsen. Das fällt ihr übrigens nicht leicht, denn Sie
ist nicht nur Vegetarierin aus Glaubensgründen; rohe noch pulsierende Herzen zu essen
ist tatsächlich dezent ekelig.
Obwohl das Intro nicht einmal drei Minuten lang ist, ist das bedrückende Szenario,
voller offener Fragen und Geheimnisse im Handumdrehen aufgebaut und leistet ganze Arbeit.
Selten baut ein Spiel so schnell eine so starke Grundstimmung auf.
Die zieht sich auch durch die Dungeons, die die beiden wesentlichen Spielemente
beherbergen. Rätseln und Kämpfen!
Hauptziel ist es freilich den Endboss zu besiegen der hinter einer zugeketteten Tür lauert.
Hierzu muss nicht etwa der obligatorische Schlüssel gefunden werden, sondern das oder die Enden der
Ketten, die sich durch den Turm ziehen, um die Verankerungen zu zerstören. Der Weg durch das Dungeon
ist allerdings von zahlreichen Rätseln und Geschicklichkeitseinlagen gespickt die, totz ihrer Nähe zu einem
Zelda, alle frisch und anders wirken.
Wichtigster Ausrüstungsgegenstand, neben eurer Hiebwaffe ist eure Kette,
die ihr von der kauzigen alten Dame erhalten habt. Die dient euch einerseits
als Greifhaken um euch über Abgründe zu schwingen, weit entfernte Objekte zu
ergreifen, Schalter zu betätigen und vieles mehr; andererseits ist Sie das weitaus
interessantere Kampf-Utensil. So könnt ihr ein oder beide Enden der Kette auswerfen,
für eine Reihe von Effekten. Erste und wichtigste Attacke ist der ganz normale
Auswurf der Kette auf einen Gegner, was dank Wiimote Pointer Funktion in Kombi mit
einem extra Zoom und Zeitlupe leicht von der Hand geht, gefolgt von einem Reisser
(durch schütteln der Wiimote) um sterbenden Gegnern ihr Fleisch zu entreissen. Ist
der Gegner noch alles andere als tot kann die Kette aber auch gespannt und der Gegner
so weiter eingeschnürt werden, für mehr Schaden. Ist ein Gegner bewaffnet, entreisst
ihr ihm mit der Kette einfach sein Schwert; Ist ein Gegner zu schnell kettet ihr ihn
mit Hilfe des zweiten Endes einfach an einen Gegenstand oder ein anderes Monster.
Alternativ, zielt einfach mal auf sein Bein und zieht im selbiges Weg, oder fesselt
ihn komplett und bearbeitet ihn dann mit dem Schwert, oder schleudert ihn einfach
gegen eine Wand oder einen Abhang runter, oder, oder, oder...
Das alles ist schnell verstanden, variantenreich, geht unglaublich gut von
der Hand und macht vor allem eines: Spaß! Denn wer sich bei 'festketten' eine gemächliche
Aktion vorstellt, liegt falsch. Die Kette ist eher schon eine 'Schusswaffe', quasi eine
Doppelläufige Simon Belmont-Peitsche auf Speed, und das meistern der einzelnen
Attacken und so manche Rätsellösung sehr belohnend.
Typische Verabschiedung nach einem One-Night-Stand. |
Selten fand ich die Wiimote und Nunchuck Steuerung passender
als bei diesem Titel, da kann man auch mal über die technischen Einschränkungen
hinwegsehen, die die Wii nun mal mit sich bringt. Im Verhältnis sind die Charaktere
aber äußerst ansehnlich und denen von Xenoblade Chronicles Meilenweit überlegen, ebenso
wie die
Flair-versprühenden, bunten und illuster beleuchteten Dungeons weitaus ansprechender
wirken als die Gegenstücke aus The Last Story. Lediglich die vereinzelten Rendersequenzen,
die sich scheinbar der Ingame Models bedienen, hat man sogar auf PS1 schon mal besser gesehen. -
Wirklich stören tut das aber nicht. Beim Sound gibt es nichts zu meckern, auch wenn die Musik sich
anhört wie schon mal gehört. Kein Wunder, denn es wurde sich tatsächlich an existierender, klassischer
Musik bedient. Passen tut es trotzdem, der Schwanensee bleibt ja auch für immer in meinem Hinterkopf
als Soundtrack zu Loom. Die englische Sprachausgabe (Deutsche Untertitel) ist gelungen, Helenas
leichter britischer Akzent ist in meinen Ohren sogar ungemein süß. Nur Lippensynchronität ist bei Neben-Dialogen
leider nicht vorhanden.
|
So schnell und so gelungen hat mich seit Jahren kein Spiel mehr in seine Welt befördert.
Dabei hat man am Anfang mehr Fragen als irgendetwas anderes, aber genau das treibt einen an. Das und das zu
bemitleidende Mädchen, dem Tentakel anfangen aus der Schulter zu wachsen. Irgendwie steckt mehr hinter den
Meistern der Türme und dem Fluch. Wieso sind es eigentlich 12 Meister in 13 Türmen? Wo kommen die eigentlich
her und, hey verändert sich die kleine Helena nicht zusehends, um so öfter sie Fleisch von einem der Meister
isst? - Ja, das erinnert an Shadow of the Colossus, genauso wie die Dungeons an Zelda erinnern, aber
'inspiriert' ist nicht 'kopiert' und die Mischung ist eh einzigartig.
Das rätseln und kämpfen mit Aarons Kette geht dank Wiimote (Classic Controller
wird unterstützt aber wird von mir nicht empfohlen) hervorragend von der Hand und nach einem arbeitssamen Tag im
Dungeon 'nach Hause' zu kommen, wo Helena das Heimchen macht, alles nach heile Welt duftet und ihr ihr
offerten machen könnt, ist ein gelungenes Kontrastprogramm. Das macht auch eine fehlende zu bereisende Welt und Städte
vergessen. Dafür, dass man mit so wenig, bekannten Elementen etwas so frisches und mitreißendes kreieren kann, gibt
es von mir die volle Punktzahl und - wesentlich seltener - unseren 'Medal of Awesome'-Award, für Spiele die Mal
etwas 'anderes' probieren.
|
|
Links:
Metakritik
|