Mit The Last Story präsentieren Sakaguchi und Uematsu, die Superstars des Japan-RPG, ihr neuestes Werk,
überraschenderweise auf Nintendos Wii. Wenn schon der HD-Konkurrenz technische Altbackenheit angekreidet wird,
was wird dann erst für ein Shitstorm über die bescheidene Wii-Grafik hereinbrechen? Wer möchte in Zeiten von
Flachbildfernsehern noch die Pixel mit bloßem Auge zählen können?
Ach ja, da gab es ja sowas wie Spielspaß, und Gerüchteweise soll er nicht mit der Grafik zusammenhängen.
Kann das wirklich wahr sein?
Spaß beiseite und kurz ein ehrliches Wort ehe wir in medias res gehen. Spitzengrafik ist heute ein wichtiges
Verkaufsargument, aber definitiv kein Spielspaßbestimmendes. Wenn ich wirklich astreine Grafik will, werfe ich den PC
an. Möge der Flamewar beginnen; mit den restlichen Lesern schau ich mir jetzt das Spiel an.
Ist das normal das der so glüht? Damit würd ich besser mal zum Arzt gehen... |
Zur Erinnerung. Nachdem Hironobu Sakaguchi, Schöpfer der Final-Fantasy-Reihe,
und Nobuo Uematsu, Komponist der meisten Final Fantasy-Titel und diverser anderer Videospiele, bei
Square-Enix ihren Hut genommen haben, widmeten sie sich nach längeren Jahren getrennter Arbeit wieder
gemeinsam ihrem Lieblingshobby: JRPGs stricken. Lost Odyssey und Blue Dragon waren zwar beide gelungene
Werke, feierten aber keine berauschenden Erfolge. Während die Story überzeugte, wurde der Technik als
auch dem Gameplay wenig Innovation, ja sogar altbackenheit vorgeworfen. So gesehen ist es womöglich
Konsequent gewesen auf die Wii zu wechseln...
Mistwalkers jüngster Titel wird zwar gerne als JRPG betrachtet, allerdings sollte man einiges dabei
beachten. Zu aller erst, und das ist das wichtigste, Mistwalker bezeichnet das Spiel als Action-JRPG. Zum
zweiten, Sakaguchi selbst betont dass seine Spiele keine Rollenspiele im eigentlichen Sinn sind, da es in
der Handlung selbst nie eine Entscheidungsfreiheit gibt wie in den westlichen Titeln. Beides sollte man bei
der Betrachtung des Spiels im Hinterkopf behalten und soll keine Entschuldigung sein, sondern eine Richtungsdefinition.
Die Rahmenhandlung des Spiels ist vergleichsweise bodenständig.
Der Söldner Zael und seine Freunde werden auf der Inzel Lazilus vom örtlichen Grafen
angeheuert und geraten nach und nach in einen immer stärker anschwellenden Konflikt
mit einem Volk vom Nachbarkontinent. Am Ende hängt gar das Schicksal der Welt von diesem
Konflikt ab. Bis es aber um die ganz großen Entscheidungen geht, haben die Figuren genug
Zeit ihre eigenen Geschichten zu erzählen, wobei der Fokus klar auf Zael liegt. Nicht nur
wächst er aus seiner anfänglichen Rolle als einfaches Mitglied der Gruppe heraus, sondern
will auch das Herz einer Prinzessin erobern.
Obwohl das Rad hier an keiner Stelle neu erfunden wird, bildet The Last Story wohl
Sakaguchis bisheriges Meisterstück ab. Die Handlung entspinnt sich nach und nach, ist dabei
fast immer gut nachvollziehbar und lässt genug Raum um die einzelnen Figuren kennen und schätzen
zu lernen. Man merkt dass hier ein Altmeister des Erzählens aus langer Erfahrung zehrte.
Die Kämpfe laufen quasi in Echtzeit ab. Einzig die Spezialfähigkeiten sowie Techniken müssen
erst aufgeladen werden, ehe man sie nutzen kann. Dies ist aber auch die einzige Referenz an
alte rundenbasierte Systeme. Die Figuren attackieren automatisch (was sich aber auch auf klassische
Button-aktivierte Attacken umstellen lässt) und nur durch die Richtung in die sich die Figur bewegt,
sowie Block und Ausweichmanöver, erstreckt sich ein extrem flüssiges und actiongeladenes Gameplay.
Dazu kommt der Wechsel zwischen Nah- und Fernkampf sowie ein flottes Deckungssystem wie man es aus
Mass Effect und ähnlichen Titeln kennt. Das tatsächliche Kernelement ist allerdings der Kommandomodus,
über den man jeden Kämpfer bestimmte Aktionen, genannt Techniken, oder wenn sie geladen sind, auch
Spezialfähigkeiten, ausführen lassen kann. Dazu wird die Kampfhandlung eingefroren und man erhält
eine Vogelansicht des Geschehens. Leider lässt sich die Reihenfolge in der die Kämpfer agieren, nicht
verändern. Dies mindert die taktischen Möglichkeiten ein wenig. Nichtsdestotrotz ist das System in sich
äußert gelungen und bietet extrem viel Potenzial.
Ärgerlich: Bei den Standardkämpfen benötigt man dieses System kaum. Für die opulent inszenierten
Bosskämpfe hingegen sollte man das System und seine vielfältigen Möglichkeiten beherrschen. Die Partymitglieder
geben, wenn der Spieler selbst nicht draufkommt, ausreichende Hinweise welche Taktik zum Sieg führt. Diese
muss dann auch entsprechend umgesetzt werden, da man sonst schnell kein Land mehr sieht.
Wir jammern hier allerdings auf hohem Niveau, da die Standardkämpfe inzwischen bei den meisten Spielen,
egal welchen Genres, oft keine große Herausforderung mehr sind. Dennoch wünschen wir uns für den, hoffentlich
kommenden, Nachfolger hier eine bessere Feinabstimmung und einen Ausbau des Systems.
Ritter!? Das hatten wir ja noch nie... Man könnte meinen wir stecken in einem alten Rollenspiel. |
Nachdem Story und Gameplay trotz kleinerer Mängel absolute Vorzeigeware sind, sieht es bei der
Technik eher zweischneidig aus. Die Jungs von Mistwalker dürfen sich zwar rühmen, abseits von
Nintendos Eigententwicklungen so ziemlich das beste aus der kleinen Kiste herausgeholt zu haben,
allerdings gibt es stellenweise kleinere und manchmal auch deutlich merkbare Framerateneinbrüche.
Entweder die Wii wurde hier überfordert, oder aber man war noch nicht in der Lage sauber und effektiv
genug für die Hardware zu programmieren. Allerdings leidet das Gameplay aufgrund seiner Gestaltung
zu keiner Zeit unter den Einbrüchen.
Auf der Haben-Seite präsentiert das Mistwalker-Team ein Liebevolles Art-Design welches man in
dieser Vielfalt und Detailfülle auf der kleinen Kiste gar nicht vermutet hätte, und in seiner
Verspieltheit selbst so manchen HD-Titel wieder auf die Schulbank schickt. Funkelnde Rüstungen mit
diversen Ketten und Kleinteilen, wehende Haarschöpfe, ansprechende Mimik und, man sage und staune,
stellenweise Knackscharfe Texturen (für Wii-Verhältniss, ganz ruhig Jungs...). Mehr noch als bei
Xenoblade Chronicles zeigt sich hier wie gutes Art-Design technische Limitierungen umgehen und
elegant kaschieren kann. Uematsus Score treibt die Handlung mit frischen westlich angehauchten
Tönen voran und besitzt wieder erschreckend gute Ohrwurmqualitäten. Die Musik drängt nie auf,
entwickelt aber nach und nach einen enormen Sog. Gut möglich dass hier ein neuer Klassiker
komponiert wurde.
Anpassbarkeitswahn: Man darf dem Gipsbein eine eigene Farbe geben. Unterschreiben kommt per DLC. |
Zusammen mit der handwerklich fast perfekt erzählten Geschichte gibt es
tatsächlich immer wieder Momente in denen man komplett eintaucht und die
Grafik gar nicht mehr als Grafik, sondern als wirkliche fantastische Welt
wahrnimmt. Komplette Immersion! Natürlich ist dieser Effekt subjektiv.
Allerdings ist mir selbst seit Jahren kein Titel unter die Finger gekommen
bei dem dieser Effekt so stark hervortrat. Möglicherweise gerade weil die
Geschichte hier eher klassisch angehaucht ist und auf überladenen Pathos
und zu verworrene Verschachtelungen verzichtet. Der Grad zwischen einer gut
erzählten Handlung und einer gut kalkulierten Handlung ist sehr, sehr dünn
und Last Story zeigt hier der versammelten Konkurrenz wie so etwas funktionieren sollte.
| Reich mir mal jemand bitte 'n trockenen Slip... |
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| Meine Hose bleibt staubtrocken! |
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Vermutlich bin ich eine der Grafikhuren von der Alex spricht, denn neben dem tollen
Soundtrack kann ich The Last Story nicht viel abgewinnen. Die Charaktere sind zwar
unglaublich ansehnlich modelliert - ganz im Gegensatz zum in dieser Hinsicht äußerst
mauen Xenoblade Chronicles - aber wie viel schöner sähe das Ganze noch in höherer Auflösung
ohne Treppchen aus?! Bei einem guten Spiel schaut man da schnell drüber hinweg, aber auch sonst
hat mich Last Story nicht gepackt. Ein Action-JRPG in dem der Held von selbst zuschlägt ist
Witzlos und die alternative Actionsteuerung funktioniert einfach weniger gut, zumal die
fummelige Kameranachjustierung einen ausbremst. Das mag auf einem Classic Controller anders
aussehen, nur besitze ich keinen. Auch sonst ist mir das Gruppenspiel zu hektisch, wenn ich Leute
beim casten decken muss, brauche ich als alter Mensch mehr Übersicht; aka ich gehöre ich zur
Rundenstrategie-Garde. Das die männlichste Person in der Party eine Frau ist und die androgynen
Männer Bauchfrei mit gerüschten Augenklappen rumrennen oder selbst mir Bart teils noch aussehen wie
ein Mädchen gibt meiner Motivation den Todesstoß. - Zugegeben aber: Pure Geschmacksfrage!
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