Kennt noch jemand diese interaktiven Rollenspielbücher in denen man zwischendurch
Ereignisse auswürfeln musste und Entscheidungen treffen, mit dem Verweis an anderer
Stelle weiter zu lesen?
Nicht viel anders funktioniert das Videospielgenre der 'Visual Novel', ein Genre das
innerhalb Japans äußerst beliebt, hier bei uns aber nahezu nicht existent ist. Ein Multimedial
aufgepepptes Buch in dem idealerweise die ein oder andere Entscheidung zu verschiedenen Ausgängen
der Geschichte führt. Freilich ist das etwas wenig Spiel, weswegen die wenigen Titel die das Land
der aufgehenden Sonne verlassen immer noch das ein oder andere Spielelement obendrauf setzen.
So auch Virtue's Last Reward.
Virtue's Last Rewards Prämisse ist alles andere als heimelig und erinnert mehr an einen
jüngst auf Liste B gelandeten japanischen Film, in dem Schulkinder auf einer einsamen
Insel gegeneinander um ihr Überleben kämpfen. Ohne zu wissen wie euch geschieht, wacht
ihr in einem Aufzug auf und bekommt über einen Bildschirm mitgeteilt Teilnehmer an einem
Spiel um euer Überleben und eure Freiheit zu sein. 'Nonary Game - Ambidex Edition' nennt
sich das Ganze und der Name (so jemand versteht was das bedeutet) ist Programm. Doch zuerst
gilt es aus dem Aufzug zu entkommen, bevor dieser abstürzt, was einige Graue Zellen von euch
erfordert.
Einmal entkommen findet sich der Protagonist, zusammen mit acht anderen Personen in einem
riesigen geschlossenen, trostlosen Komplex wieder. Jeder von ihnen trägt eine Art Uhr die
dabei hilft dreier-Gruppen zu bilden und den aktuellen Punktestand anzuzeigen. Ziel des Spiels
ist es neun Punkte zu erreichen, dann öffnet sich die Tür in die Freiheit - Ein einziges Mal!
Wer zurückbleibt ist gefangen!
Was man dafür tun muss? Eine Gruppe bilden, drei Mal durch jeweils eine von drei Türen gehen
und im dahinter liegenden Raum alle Rätsel lösen, um den Zugangsschlüssel zum Ambidex Teil des
Spieles zu erhalten. Die Motivation daran Teilzunehmen wird alleine dadurch enorm gesteigert,
dass all denen die nicht binnen 5 Minuten durch die Türen gehen sobald sich diese öffnen, von
ihrer Uhr ein tödliches Gift injiziert wird.
Das passiert auch wenn man daraufhin nicht Rechtzeitig zum genannten Ambidex Teil des Spiels
erscheint, in dem die Figuren sich in abgeriegelten Wahlkabinen einfinden müssen. Für jede
Dreiergruppe zwei Kabinen. Dort wird abgestimmt ob man seinem Gegenüber traut oder nicht.
Je nachdem wie die Parteien füreinander stimmen gibt es Punkte, mehr Punkte oder Punktabzug.
Auf jeden Fall gibt es fast immer Streit, denn fällt der Startpunktestand von "3" auf "0" ist
das Ableben des Betroffenen besiegelt.
Und warum nicht einfach an einem Strang ziehen? Das mag zum einen an einer rumliegenden
Leiche liegen, die einer der Probanden auf dem Gewissen haben muss. Vielleicht aber auch daran, dass
der Veranstalter selbst angeblich Teil der illustren Runde ist oder auch das alle Charaktere etwas
zu verbergen scheinen, nebst dass fast alle so wirken als wären sie just aus einem Zirkus
ausgebrochen. - Wer will bei so einer Bande schon riskieren das jemand vor einem selbst neun Punkte
sammelt und einfach alleine in die Freiheit schreitet und einen selber zurück lässt?
Was hier in so einem kleinen Texttasten etwas überfrachtet wirkt, wird im Spiel unmissverständlich erklärt.
Schnell ist klar: Die Lage ist nahezu Hoffnungslos und aus einem gemeinsamen Vorgehen wird sehr schnell
ein einzelkämpferisches Kräftemessen um die eigene Existenz.
Das nahebringen tun vor allem die reichlichen, komplett japanisch vertonten (bis auf den Spielercharakter
und Rätselräume) und englisch geschriebenen Dialoge. So besteht Virtue's Last Reward spielerisch im Wesentlichen
aus zwei Elementen: Lesen und Rätseln.
In den Storypassagen gibt es nahezu keine Interaktion, abseits der Auswahl von Gruppenpaarungen und somit den
Türen mit anhängenden Rätselräumen die man betritt, sowie dem eigenen Abstimmungsverhalten im Ambidex Raum. Gerade
diese Entscheidungen prägen aber den weiteren Verlauf der Geschichte. Dabei unterscheiden sich die einzelnen
Handlungsäste nicht nur durch die Art und Weise wie sich die Geschichte entwickelt und die Personen aufeinander
reagieren, sondern auch welche Puzzlestücke der großen umgebenden Hintergrundgeschichte/ Welt preisgegeben werden.
Denn durchschreitet man eine Tür in einen Rätselraum, in dem es gilt selbigen genauestens abzusuchen und
diverse - durchaus fordernde aber immer machbare - Logikrätsel zu entschlüsseln, bergen die Räume selbst Hinweise
auf die Außenwelt und die Sinnhaftigkeit der ganzen Anlage in der die neun Überlebenskämpfer gefangen sind.
...geben einen hervorragenden Einblick... |
Wer also tatsächlich die ganze Geschichte entschlüsseln will, muss alle der Nahezu 30 Handlungspfade
durchspielen. Das ist sogar tatsächlich eher ein Muss als ein Kann, denn gerne erscheint in einem Pfad
ein 'To be continued...' weil des Rätsels Lösung sich in einem anderen Ast versteckt. Das macht die
Gewissensentscheidungen der Ambidex-Räume komplett obsolet, wenn jede Wahlmöglichkeit einmal durchgeackert
werden muss. 'Wähle deinen eigenen Handlungsausgang und lebe damit', wie in einem Heavy Rain? - Fehlanzeige!
Wenigstens ist das Ganze auch Storymäßig verankert und bereits gespielte Abschnitte können glücklicherweise
übersprungen werden. So jkommt man gut und gerne auf 50 Spielstunden.
...in die ersten 5 Minuten. Sorry! |
Als 'visueller Roman' erwartet einen in Virtue's Last Reward kein grafisches Spektakel,
die tristen Kulissen untermalen aber die hoffnungslose
Atmosphäre und die animierten Figurenportraits vermitteln genug Ausdruck. Die Musik
passt ebenfalls prima zum Geschehen, ohne aber irgendeinen herausragenden Ohrwurm zu
bieten. Eine technische Blöße gibt sich der Titel aber dennoch, so hat die 3DS-Version
einen Spielstand-zerschießenden Bug, der aber umgangen werden kann. (Nicht im PEC Raum
und am besten grundsätzlich nicht während einer Rätselpassage speichern.)
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